In den letzten anderthalb Jahrzehnten hat sich im Live-Music-Biz ein grundlegender Wandel vollzogen: Mischpulte sind programmierbar oder werden gleich vom Tablet aus via WLAN bedient, während die Vorabbeschallung aus dem Laptop oder einfach vom USB-Stick kommt. Mittlerweile muss möglichst alles schon nach kurzem Line-Check funktionieren, ob beim Kneipen-Gig oder auf der Open-Air-Bühne im Stadion. Da gerät man als „analoger“ Gitarrist alter Schule natürlich unter Druck.
Dafür bietet die moderne Technologie durchaus Abhilfe, am kompaktesten in Form von Amp-Modelern, die dem Gitarristen, unabhängig vom Platz auf der Bühne, Aufbau- und Soundcheck-Zeiten oder räumlichen Gegebenheiten, eine solide Auswahl an Amp- und FX-Sounds und dem Techniker vor Ort ein konstantes Signal ans Mischpult liefern. Es ist auch schon bald 20 Jahre her, dass Line 6 die digitale Simulation von Gitarrenverstärkern mit dem kleinen roten POD preisgünstig und damit salonfähig machte.
Zwischenzeitlich schienen die praktischen Modeler traditionelle, in der Regel schwere und unhandliche Amp-Set-ups von den Bühnen zu verdrängen. Dann merkten viele, dass dabei doch zahlreiche Feinheiten auf der Strecke blieben. Gerade im Profilager hielt sich also weiterhin die gute alte Analogtechnik. Doch seit Christoph Kemper 2011 mit dem Kemper Profiling Amplifier sein neuartiges Digitalkonzept vorstellte, das in Sachen Spielgefühl kaum mehr etwas zu wünschen übrig ließ, hat ein erneuter Umdenkprozess eingesetzt.
Wir wollen an dieser Stelle nicht zu tief in die technischen Details eintauchen, sondern uns nur kurz vergegenwärtigen, was den Kemper „Profiler“ eigentlich von der digitalen Konkurrenz unterscheidet. Normalerweise wird mittels Modeling-Software ein virtuelles Abbild der Schaltung eines Gitarren- oder Bassverstärkers erstellt. Auf Basis dieses digitalen „Amp-Avatars“ wird dann das Instrumentensignal zurechtgeschneidert oder vielmehr -gerechnet.
Je komplexer die Rechenalgorithmen und je hochwertiger die Wandler sind, desto höher ist die Auflösung. Entsprechend lebensnah reagiert das Gerät auf das Eingangssignal. Und das kann sehr gut klingen, wie etwa die hochpreisigen Axe-FX-Modeler von Fractal Audio zeigen. Im Prinzip funktioniert diese Modeling-Technologie ähnlich wie bei einem digitalen Hallgerät. Auch hier werden virtuelle Idealräume erstellt, deren Größe und Beschaffenheit dann auf das zu verarbeitende Signal einwirken.
Ein wenig anders verhält es sich beim Kemper Profiler. Hier werden nämlich, um im Bild zu bleiben, tatsächlich existierende Räume (sprich Amp-Set-ups) mit allen Macken und Kanten gescanned, umfassend analysiert, gespeichert und anschließend abgerufen. Man stelle sich vor, man würde ein paar Tage im Recording-Studio zubringen, um dann die besten Sweetspot-Einstellungen des oder der Lieblings-Amps als gefühlsechten „Digital-Klon“ auf den Kemper zu ziehen.
Nur, wie geht dieses ominöse „Profiling“ vonstatten? Schritt 1 ist die möglichst optimale Abnahme eines Gitarren- oder Bass-Set-ups per Mikrofon. Dabei dürfen Gain-FX wie Booster, Graphic EQ, Overdrive, Distortion usw. mit verwendet werden. Raum- und Modulationseffekte allerdings nicht, sie würden den Profiling-Vorgang behindern. Wer idealerweise die Möglichkeit hat, in einem gut klingenden Studioraum mit mehreren hochwertigen Mikrofonen aufzunehmen, wird natürlich davon Gebrauch machen.
Denn mehr Aufwand ergibt ein detailreicheres Klangbild. Doch auch ein intelligent gewähltes, mit etwas Mühe und Feingefühl platziertes einzelnes Mikro liefert bereits überzeugende Ergebnisse. Entscheidend ist, dass der mikrofonierte Verstärker letztlich so über die Abhörboxen erklingt, wie man ihn gerne hören möchte. Man verbindet nun das Instrument mit dem Input des Kemper und dessen Direct Out/Send-Buchse mit dem Amp-Eingang. Etwaige Gain-Generatoren (siehe oben) platziert man dazwischen.
Da sich durch das Zwischenschalten des Kemper, wie bei jedem Peripheriegerät, der Klang um Nuancen verändern kann, muss man eventuell minimal am Amp nachregeln. Ein dynamisches Abnahme-Mikro darf man nun einfach in den Return-Input des Profilers stöpseln. Eine Phantomspeisung für sensiblere Elektret- oder Kondenser-Typen gibt es leider nicht. Solche muss man ihm über Mixer oder Vocal-FX (unbedingt im Bypass-Mode!) zuführen, welche die benötigte Versorgungsspannung liefern.
Will man mit mehreren Mikros arbeiten, kommt man um ein Mischpult ohnehin nicht herum. Da der Kemper „nur“ ein Mono-Profile erstellt, ist ein entsprechendes Summensignal notwendig. Für die Verbindung zum Return-Input des Kempers zweigt man also ein Subgruppen-Signal ab, damit die Hauptausgänge des Mixers unbeeinflusst bleiben. Nun noch die Main-Outputs des Profilers mit dem Pult verbinden. Gegen etwaige Brummschleifen hilft einer der vier Ground-Lift-Schalter auf der Rückseite des Kempers.
Nun kann der technische Zauber beginnen: Wir stellen den Chickenhead-Drehschalter auf „Profiler“-Modus, passen den Return-Level am Kemper an und wählen vor, ob wir einen cleanen oder übersteuerten Sound digitalisieren möchten. Dann starten wir den Vorgang, woraufhin der Kemper eine Ladung außerirdisch anmutender Messtöne durch die zu „profilende“ Anlage schickt. Das sei jedoch, versichert der Hersteller, für alle angeschlossenen Komponenten völlig ungefährlich.
Nun, nicht wenige der Werks-Profiles stammen von betagten Vintage-Schätzchen. Die werden die User wohl kaum aufs Spiel gesetzt haben. Insofern darf man getrost davon ausgehen, dass die Aussage zutrifft. Nach diesem etwas verstörenden Klangerlebnis gibt einem der Kemper die Möglichkeit zum Feinschliff mit der eigenen Gitarre in der Hand. Man feuert ein paar knackige Riffs und Akkorde ab, die der Kemper analysiert, um das ofenwarme „Profile“ noch authentischer zu machen.
Das verwendete Instrument spielt dabei keine Rolle, es geht lediglich um Dynamikumsetzung, Ansprache und Sättigungsverhalten des Amps. Deshalb entfällt dieser Arbeitsschritt beim Profilen glasklarer Sounds. Ist man sich jedoch nicht ganz sicher, ob nicht vielleicht doch eine gewisse Übersteuerung im Spiel war, wiederholt man das Ganze und wählt „distorted“ vor. Worauf man sonst noch achten muss, steht im sehr informativen zweisprachigen (Deutsch – Englisch) Profiler-Handbuch.
Und damit ist das Potenzial des Kempers noch nicht ausgeschöpft. Mit dem Parameter „Preamp Definition“ lässt sich ein „Profile“ nachschärfen, um den Klang eines schon etwas altersschwachen Vintage-Combos vitaler oder einen traditionellen Rock-Amp moderner klingen zu lassen. Erhöht man hingegen den Wert des „Power-Sagging“ (Sättigung der Endstufe), vergrößert sich der virtuelle Hubraum. Sehr praktisch, wenn der ultimative Sweetspot einem kleinen Verstärker in Sachen Dynamik schon alles abverlangt.
Zudem hält der Kemper deutlich erweiterte Gain-Reserven parat. Liefert so ein kultiger alter Gretsch-Amp oder ein gnadenlos strammer „Silverface Twin“ am Anschlag maximal heiseren Crunch, kommt man mit dem zusätzlichen Gain des „Profiles“ noch bis in die Classic-Lead-Abteilung. Instant Hot-Rodding, ganz ohne Treble Booster, Tube Screamer oder gar Lötkolben und chirurgische Eingriffe in die Schaltung! Übrigens muss auch kein Combo oder Halfstack als Vorlage dienen.
Will man etwa nur ein Top ohne Lautsprecherbox scannen, geht das auch – unter Verwendung eines Lastwiderstands, dessen Line Out man mit dem Return-Input verbindet. Ebenso ist es möglich „Profiles“ von Preamps oder gar Software-Plug-Ins herzustellen! Näheres hierzu und viele weitere Details finden sich ebenfalls im Manual; ohnehin Pflichtlektüre für jeden, der das Gerät begreifen und seine vielfältigen Fähigkeiten richtig nutzen möchte. Fangen wir doch einfach mal mit den naheliegenden an ...
Profi-Musiker nehmen fortan ihre mühsam erstellten, aufwendig mikrofonierten Studio-Set-ups einfach mit ins Hotel oder Backstage zum Aufwärmen (per Headphone Out) und dann auf die nächste Festival-Bühne. MIDI-In, -Out & -Thru-Anschlüsse am „Profiler“ steuern bei Bedarf weiteres Peripheriegerät. Und der FoH-Mensch am Saalpult bekommt aus den Main Outputs, ganz ohne Mikro, ein perfektes, fertig aufbereitetes Stereo-DI-Signal für die PA.
Auch Studiobetreiber freuen sich über die enorme Arbeitserleichterung. Statt immer neu für jede Recording-Session stundenlang diverse Gitarren-Amp- und Mikrofonaufstellungen durchzugehen, werden die besten Kombinationen einfach „ge-profiled“ und, zur späteren Wiederverwertung, abgespeichert. Dank entsprechender Auslegung der Anschlüsse, gerne auch digital via S/PDIF, lässt sich Kempers „Toaster“ außerdem bestens zum nachträglichen Reamping von D.I.-Spuren aus dem Rechner verwenden.
Aber was tun, falls die eigene Anlage gar nicht so toll klingt oder man nicht die Möglichkeit hat, unter professionellen Studiobedingungen „Profiles“ vom eigenen Verstärker zu erstellen? Keine Sorge, das Gerät kommt bereits mit einer soliden Auswahl an Werks-Presets, von Klassikern bis Exoten, sodass man direkt losrocken darf. Studio-Crack Peter Fischer zum Beispiel, ein Kemper-Anhänger der ersten Stunde, stellt hier „Profiles“ seiner leckeren Referenz-Amps zur Verfügung.
Ebenso machen es Uwe Bossert (Ex-Reamonn, Stereolove-Gitarrist und Produzent), Amp-Spezialist Dirk Baldringer, Rod Gonzales (Die Ärzte), Produzent Franz Plasa oder auch Produktspezialist Gundy Keller (Boss, Roland). Aber auch internationale Szenegrößen wie Keith Merrow oder Ola Englund waren schon als „Profiler“ tätig. Es sind also Beiträge durchaus namhafter Kollegen mit an Bord. Und dazu gibt es dann noch eine bunte FX-Sektion voll beliebter Stompboxes plus einiger nützlicher Studioeffekte.
Somit stellt Kempers „Tone-Toaster“ eine Art virtuelle Sound-Bibliothek dar, die so flexibel ist, wie eine aufwendige Custom-Amp-FX-Rack-Lösung, nur eben in einem einzigen kompakten Gehäuse. Die Grundidee verfolgen andere Hersteller zwar schon länger, insbesondere im Bereich der Software-Plug-Ins für Recording-Plattformen auch durchaus erfolgreich. Beim „Profiler“ gibt es den „Sound-To-Go“ jedoch als praktisches Stand-Alone-Gerät zum überallhin Mitnehmen. Apropos praktisch ...
Für jeden denkbaren Einsatz ist man mit dem Kemper „Power Head“ gerüstet. Dank moderner Class-D-Technik fällt die Endstufe kaum ins Gewicht (preislich leider schon), liefert aber laut Hersteller bis zu 600 Watt an 8 Ohm. Damit lässt sich nun gleichermaßen eine belastbare Gitarren- oder Bass-Box oder ein passiver Bühnenmonitor befeuern. Multi-Instrumentalisten werden sich im Live-Einsatz wohl für letzteren entscheiden. Wie und wo sonst hat man schon komplett freie Wahl, was man über die Anlage verstärkt?
Kempers multifunktionaler „Power Head“ löst also ein Grundproblem vieler Live-Musiker auf einen Schlag. Ob Kontra- oder E-Bass, Mandoline, Akustikgitarre oder elektrische Solidbody-Gitarre, alle sind am Instrument-Input gleichermaßen willkommen! Und, wer die Endstufe nicht braucht, greift zum ursprünglichen „Profiler Head“. Beide Ausführungen werden zudem als 19"-Version fürs Touring-Rack angeboten. Für maximale Bodenkontrolle sorgt zu guter Letzt das neue, lang ersehnte „Remote“-Board.
Nun will so ein umfangreiches Klangarsenal erst mal beherrscht werden. Daher kommt es auf eine übersichtliche Organisation der Bedienelemente an, was hier trotz der Fülle der Features gut gelungen ist. Der untere, leicht abgewinkelte Teil der vollflächig genutzten Profiler-Front beinhaltet ein gut ablesbares, beleuchtetes Display, die wichtigsten Bedienelemente zur Navigation durch das Menü und einige Endlosdrehregler, die direkten Zugriff auf die virtuelle „Amp-Oberfläche“ bieten.
Daneben finden sich ein Instrumenten-Eingang, Kopfhörerbuchse sowie ein Chickenhead-Drehschalter, der unterschiedliche Funktionsebenen des Profilers aktiviert. Im oberen Teil der Front schließlich sind ein Noise Gate, die Effektsektion, EQ-Filter und Cab-Simulation untergebracht, jeweils mit eigenen Reglern, Tastern und LEDs. Den Abschluss bildet das, nicht von der Programmierung erfasste, Master Volume Poti. Auch das Rückseiten-Layout ist trotz zahlreicher Anschlüsse erstaunlich überschaubar geraten.
Nahtlos schließt hier das „Profiler Remote“ an. Das massive und trotz vieler Funktionen noch angenehm kompakte Board wird via Ethernet-Kabel angeschlossen. Das gewährleistet den gegenseitigen Datenaustausch sowie die Stromversorgung. Das Kabel ist ausreichend lang und stabil, allerdings ein wenig steif. Mit dem „Remote“ lässt sich nun endlich nicht nur komfortabel durch die im Profiler gespeicherten Klänge schalten, es ist gleichzeitig auch ein voll ausgestatteter Phrase-Looper für den One-Man-Jam!
So weit zur Theorie und den Features des Kemper Profiling Amplifiers – natürlich nur im Schnelldurchlauf, denn das kompakte Kistchen bietet einfach Unmengen an richtig coolen Features und vor allem richtig geile Sounds. In Teil 2 widmen wir uns ausführlich der Frage, wie man diese ganze Vielfalt mit der Remote steuern und nutzen kann und wie sich das Set-up im Live-Einsatz schlägt. Nicht verpassen.
Bauweise |
Stompbox-, Amp- u. Boxen-Profiling plus Class-D-Endstufe |
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Technik |
digital, AD/DA-Konverter mit 24 Bit/192 kHz
|
Leistung | 600 W an 8 Ω, 300 W an 16 Ω |
Latenz | ca. 3,2 ms |
Presets |
300 „Rigs“ (ab Werk, Updates via USB-Stick)
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Anschlüsse |
- Front (Instrument) Input, Headphone, Digital In (S/PDIF & AES/EBU) |
Gewicht
|
6,5 kg
|
Maße (H x B x T) | 217 x 378 x 173 mm |
Hergestellt in
|
Deutschland
|
Typ |
Control-Board für den Kemper Profiling Amplifier |
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Bauweise |
Bodenpedal, Metallgehäuse
|
Anschlüsse |
Network (Ethernet), Pedal 3, 4, 5, 6
|
Schalter |
Up & Down, Rig-Taster 1 - 5, Tap (Tempo), Looper, Tuner, FX-Taster I - IIII |
Regler
|
Contrast (Display-Beleuchtung)
|
Spannungsversorgung | via Ethernet-Kabel, rund 7 m, ca. 150 mA |
Gewicht | 2,9 kg |
Maße (H x B x T) | 75 x 420 x 180 mm |
Hergestellt in
|
Deutschland
|
Wertung:
+ herausragende Sound-Qualität der Profiles
+ praxisnahe Preset-Auswahl
+ logisches Bedienkonzept
+ großes Effektangebot
+ kompakte Maße (Head und Remote Board)
+ ausgefeilte Steuerungsmöglichkeiten
+ praktischer Sample-Looper
+ freier Zugriff auf erweiterte Sound-Bibliothek
- Effekte über Speaker- und Monitor Out nur mono
- deftiger Aufpreis für Endstufe
- keine Phantomspeisung fürs (Profiling-)Mikrofon
Preise:
Profiler Head – ca. 1.600 €
Profiler Power Head – ca. 2.100 €
Profiler Remote – ca. 500 €
Weitere Infos: Kemper
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