In Teil 1 ging es vor allem darum, was der Kemper Profiling Amplifier ist und welche Features er bietet. Nachdem wir uns einen Überblick über das Gerätekonzept verschafft haben, schauen wir uns nun näher an, was das Kemper-Komplettpaket dem User zu bieten hat. Wie bereits gesagt, Kernstück und Alleinstellungsmerkmal ist die Profiling-Sektion. Damit man aber nicht bei null anfangen muss, wird das Gerät ab Werk bereits mit knapp 300 sogenannten „Rigs“ ausgeliefert. Die beinhalten neben den Amp-/Boxen-Profiles auch gleich eine Auswahl der gebräuchlichsten Effekte.
Der überwiegende Teil der „Rigs“ ist mit nur geringen Effektanteilen garniert. Statt völlig überladener Klangwolken, die nur auf den ersten Höreindruck beeindrucken, für die Praxis aber weitgehend unbrauchbar bleiben, bekommt man ein Sortiment vollwertiger, sofort nutzbarer Presets an die Hand. Hier muss nichts aufgehübscht werden. Die Qualität der Amp-Profiles, ein bunter Querschnitt durch alle möglichen traditionellen wie aktuellen Verstärkertypen, überzeugt auf Anhieb.
Gleich vorweg: Die Profile begeistern nicht nur hinsichtlich des Klangeindrucks, sondern auch, was die Wirkung von Gain-Regler und EQ-Sektion, vor allem aber das Spielgefühl betrifft – hier sind die digitalen „Profiles“ schockierend nah dran am analogen Original! Dynamik, Reaktion aufs Volume-Poti des Instruments, Intermodulationen bei stärkerer Übersteuerung sowie die charakteristische Interaktion der Regler, etwa eines klassischen Tone-Stacks, verhalten sich wie man es von den Vorbildern kennt.
Nun versprechen die Hersteller digitaler Sound-Generatoren schon seit Jahren vollmundig, besser als die Wirklichkeit zu sein. Doch Kemper ist der Umsetzung, meiner Ansicht nach, den entscheidenden Schritt nähergekommen. So realistisch wie sich das hier anfühlt und die Verstärkerklänge aus den Monitorboxen dröhnen, bekommt man das sonst nur mit einem echten Röhren-Amp und speziellen Boxensimulationen hin, die aufwendig mit Impulsantworten arbeiten – wie etwa die High-End-Produkte von Two-Notes.
Eine Einschränkung musste man (zumindest bisher) allerdings machen, die gar nichts mit den Fähigkeiten des „Profilers“ an sich zu tun hat. Der physische Eindruck, den ich vor einem pumpenden, weit aufgerissenen Fullstack habe, ist natürlich nicht derselbe wie bei der per Mikrofon abgenommenen Anlage über kleine Studiomonitore. Doch auch hier hat sich Mr. Kemper etwas einfallen lassen, dass diesen Effekt minimiert. In den neueren OS-Versionen (die regelmäßig gratis zum Download angeboten werden) gibt es den „Pure Cabinet“-Parameter. Dieser reduziert den klanglichen Anteil des (virtuellen) Mikrofons und verstärkt den „Amp in the room“-Soundcharakter. Schwer sich das vorzustellen, deshalb kommt hier ein erster Eindruck der Funktion in Videoform:
Realismus ist beim Kemper Profiling Amplifier sowieso Trumpf, was man gerade den eher puristischen Amp-Profiles anmerkt. Wer extreme, experimentelle Klänge bevorzugt oder Effekte als grundsätzlichen Sound-Bestandteil versteht, ist vermutlich mit Fractal Audios „Axe-FX“-Modelern besser bedient. Diese sehr leistungsfähigen und komplexen Hightech-Teile gehen preislich allerdings schnell Richtung das Doppelte und sind schwieriger zu handhaben und zu programmieren. Da kommt man mit dem Kemper, auch als Laie, wesentlich leichter zum gewünschten Ergebnis.
Nicht nur beim Abhören über hochwertige Studio-Boxen macht der „Profiler“ eine gute Figur. Ein Paar ordentliche Kopfhörer oder ein typischer Bühnen-Monitor genügen, um die Amp-Profiles genießen zu können. Etwas komplizierter wird es, wenn man die integrierte Class-D-Endstufe mit herkömmlichen Instrumentalboxen kombiniert, die nicht full-range-tauglich sind. Zwar lässt sich die Cab-Simulation für den einzelnen Speaker-Output abschalten, aber natürlich schert die Box nun alle „Profiles“ über einen Kamm.
Das funktioniert noch ganz gut, so lange die ausgewählten „Rigs“ klanglich zur gleichen Familie gehören. Benötigt man jedoch eine Auswahl über alle Stil- und Genregrenzen hinweg wird es schwierig. Top-40-Gitarristen etwa, die Klänge zwischen ABBA und Linkin Park abdecken müssen, sollten eher die Cab-Sektion des „Profilers“ aktiviert lassen und sich einen ausreichend belastbaren, passiven Bühnenmonitor gönnen. Das heißt, falls die Band nicht eh schon auf InEar-Monitoring umgestiegen ist.
Kempers „Amp-Samples“ reichen von Kultklassikern über die wichtigsten High-Gain-Boliden der Neuzeit bis hin zu wahren Exoten und Raritäten, die man sonst eher selten zu hören, geschweige denn selbst in die Finger bekommt. Das Archiv deckt eigentlich alles ab, was man sich als Gitarrist oder Bassist nur wünschen kann. Und falls für ein Projekt tatsächlich mal nicht das passende „Profile“ dabei sein sollte: Die Kemper-Community wächst stetig und tauscht neue „Profiles“ bereitwillig und (meist) kostenfrei aus!
Zum Glück geht das Laden neuer Presets ebenso unkompliziert von statten wie ein Software-Update. Wer im Besitz eines Internet-fähigen Rechners ist und mit einem USB-Stick umgehen kann, sollte das ohne Probleme hinbekommen. Der Hersteller bemüht sich sichtlich, es dem auch weniger technikaffinen Anwender so einfach wie nur möglich zu machen. So wird gewährleistet, dass man noch lange nach dem Erstkauf Freude an dem Gerät haben kann.
Übrigens muss man im Bühnenbetrieb natürlich nicht erst langatmig durch alle im „Browser“ gespeicherten „Profiles“ zappen. Im „Performance“-Mode kann man, korrespondierend mit den fünf Tastern des Remote Boards, bis zu fünf „Rigs“ in einem Setting organisieren. Dann lassen sich pro Song die für Intro, Strophe und Refrain benötigten Klang-Presets direkt abrufen. Insgesamt 125 solcher Performance/Song-Settings lassen sich im „Profiler“ an- und ablegen.
Werfen wir nun einen Blick in die virtuelle Effektkiste: Bis zu vier „Stompboxes“ können vor das „Stack“ (Amp plus Box) geschaltet werden, wobei auch Mehrfachbelegungen möglich sind. Hier finden sich die üblichen Verdächtigen vom (Big) „Muffin“ Fuzz über diverse Wah-Wah-, Pitch- und Chorus-Effekte bis zum „Green Screamer“ usw. Farbige LEDs über den Stomp-Tastern A, B, C, D zeigen an, ob ein Slot auf dem virtuellen Pedalboard bestückt ist. Leuchtet ein Taster, ist der jeweilige Effekt aktiv.
Zusätzlich lassen sich hinter dem „Stack“-Modul vier weitere FX einbauen. Delays, Raum- und Modulationseffekte machen an dieser Position am meisten Sinn. Wer es experimenteller mag, kann aber auch einen Wah- oder Distortion-Effekt nachschalten. Ein wenig schade ist nur, dass auch die Stereo-Effekte am Speaker- beziehungsweise Monitor-Out konsequent in Mono ausgegeben werden. Wünschenswert wäre die Möglichkeit, linkes und rechtes Signal auf die beiden genannten Ausgänge zu verteilen.
Beide Blöcke, also „Stomps“ vor dem „Stack“ und „Effects“ dahinter, dürfen auf dem Remote Board den vier Schaltern (I - IIII) zugewiesen werden, wobei ein Schalter bis zu vier Effektmodule gleichzeitig de-/aktivieren kann. So lassen sich im Bedarfsfall in einem Preset alle acht Module verwalten. Die Zuordnung erfolgt dabei nicht global, sondern pro „Rig“. Schnell und einfach bastelt man sich damit ein FX-Besteck, zu dem man seine Lieblings-„Profiles“ nach Lust und Laune zuschalten kann.
Hat man die logische und gut nachvollziehbare Bedienführung des Kempers verstanden, wird das Erstellen neuer Settings zum Spiel. Die zurechtgetüftelte Effekteinstellung speichert man wahlweise einzeln als Modul oder zusammen mit dem jeweiligen „Rig“. So lassen sich elegant die Programmierbarkeit komplexer Preset-Kompositionen mit unmittelbarem Zugriff auf die integrierten Effektblöcke vereinen, wie man es von konventionellen Pedalboards gewohnt ist.
Wer sein Set-up noch dezidierter schalten und kontrollieren will, darf gerne bis zu sechs (!) externe Fußschalter/-taster oder Controller-Pedale anschließen. Hierfür stehen zwei Anschlüsse am „Profiler“ und vier weitere am „Remote“ zur Verfügung. Im System-Menü muss man der Peripherie nur noch die gewünschten Funktionen zuweisen; dann darf man hemmungslos „controllen“, was die Füße hergeben. Allerdings bietet das „Remote“ auch ohne solche Extras hohes Spaßpotenzial.
Und damit meine ich nicht den Tap-Taster zur Eingabe des Effekttempos oder den obligatorischen Tuner-Button. Auch nicht die Bank-Up/-Down und die fünf „Rig“(Preset)-Schalter ... oder vielmehr doch. Richtig, da wäre ja noch die eingangs erwähnte Phrase-Looper-Funktion. Mit dem „Looper“-Button rechts neben dem Display betätigen wir die zweite Funktionsebene für die Taster 1 - 5 sowie den Bank-Up-Taster und starten den Loop-Modus. Aus dem Surf-Brett wird ein Snow-Board und wir skaten los!
Mit Taster „1“ ziehen wir im Looper-Mode eine neue Spur durch den frischen Neuschnee. Yippieh, gleich noch eine Harmoniespur hinterher! Na, die zweite missfällt uns, weg damit. Oder doch nicht? Hier hilft die Undo/Redo-Funktion im Bank-Up-Taster. Mit der „2“ halten wir erst mal an oder radieren die Spur nach dreimaligem Antippen gleich völlig aus. „3“ nimmt die gestoppte Spur wieder auf oder bringt uns, während der Fahrt gedrückt, direkt an den Ausgangspunkt zurück.
Mit der „4“ spulen wir das Ganze rückwärts ab, und es geht noch abgefahrener. Taster „5“ setzt unsere Spur in die Halfpipe, äh ... auf Halftime. Durch die Halbierung der Frequenz ergibt eine sauber eingespielte Gitarrenlinie damit eine recht brauchbare Bass-Simulation. Es geht aber auch anders herum: Wir nehmen erst in Halftime auf und schalten dann auf Normaltempo um. Krasser als „Nashville Tuning“, das klingelt und sirrt, wie bei den Chipmunks!
Der selige Les Paul, Pionier solcher Recording-Tricks, oder Steve Vai würden sich hier prächtig amüsieren. Nur erscheint die maximale Loop-Dauer mit 30 Sekunden (60 Sekunden im Halftime-Mode) nicht übermäßig lang. Für komplexe Song-Strukturen reicht es kaum, aber für eine Bassline plus Rhythmusspur als Backing für die eigenen Lead-Stunts allemal. Und wer fleißig übt, erschafft ja vielleicht mal ein neues „Brighton Rock“-Solo à la Brian May. Mit diesem Looper lässt sich jedenfalls sehr kreativ arbeiten.
Was denn, keine Amp-Türme mehr beim Gig? Wo bleibt denn da der Rock'n'Roll? Nun, in einer idealen Welt müssten wir uns um nichts als unsere Kunst und Performance kümmern. Wer hätte da nicht gerne einen Stage-Tech dabei, der die Backline auslädt, Amps und Effekte verkabelt und die Instrumente stimmt? Doch im Musikeralltag stehen zumeist weder ein persönlicher Techniker noch ausreichend Zeit und Muße zur Verfügung, um ideale klangliche Voraussetzungen zu schaffen. Gut, dass es Menschen wie Christoph Kemper gibt, die sich darüber Gedanken machen, wie man diese Situation verbessern kann, und das dann auch umzusetzen wissen. „Profiler“ plus „Remote“ machen die Performance unabhängig von defekten MIDI-Kabeln, kränkelnden Netzteilen oder ausgelutschten Endstufenröhren. Und sie machen es dem hart arbeitenden Musiker leicht, seine Lieblings-Sounds komfortabel immer und überall abrufen zu können, ob auf der Bühne, im Studio oder nach dem Konzert im Hotelzimmer.Und Musiker/innen, die im Studio oder live zwischen E-Gitarre, Bass oder Ukulele wechseln, finden hier endlich ein Gerät, das sich für sämtliche Anwendungen konfigurieren lässt und gleichermaßen gut eignet. Ist Kempers „Profiler“ demnach perfekt? Nun, zwischen Saitenanschlag und Klangerlebnis ist nur eine minimale Latenz wahrnehmbar. Auch die übrigen angemerkten Kritikpunkte sind eigentlich eher marginal, die Positiva überwiegen bei weitem. Da ist also noch etwas Luft nach oben, aber viel fehlt nicht. Und die NAMM Show steht ja vor der Tür – wer weiß, womit uns Kemper dort überraschen wird.Klar ist, wer nur einen Sound braucht und damit glücklich ist, benötigt keinen Kemper Profiling Amplifier. Allen anderen jedoch, die live und im Studio tätig sind, empfehle ich, sich Zeit zu nehmen, um sich mal in Ruhe mit diesem kongenialen „Profiler“-Set-up zu beschäftigen. Ihr werdet staunen, was es für euch tun kann! Von wegen „früher war alles besser“. Liebe Nostalgiker, nehmt mal die angestaubte rosarote Brille ab! Und willkommen in der wirklich schönen neuen Welt!
Bauweise |
Stompbox-, Amp- u. Boxen-Profiling plus Class-D-Endstufe |
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Technik |
digital, AD/DA-Konverter mit 24 Bit/192 kHz
|
Leistung | 600 W an 8 Ω, 300 W an 16 Ω |
Latenz | ca. 3,2 ms |
Presets |
300 „Rigs“ (ab Werk, Updates via USB-Stick)
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Anschlüsse |
- Front (Instrument) Input, Headphone, Digital In (S/PDIF & AES/EBU) |
Gewicht
|
6,5 kg
|
Maße (H x B x T) | 217 x 378 x 173 mm |
Hergestellt in
|
Deutschland
|
Typ |
Control-Board für den Kemper Profiling Amplifier |
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Bauweise |
Bodenpedal, Metallgehäuse
|
Anschlüsse |
Network (Ethernet), Pedal 3, 4, 5, 6
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Schalter |
Up & Down, Rig-Taster 1 - 5, Tap (Tempo), Looper, Tuner, FX-Taster I - IIII |
Regler
|
Contrast (Display-Beleuchtung)
|
Spannungsversorgung | via Ethernet-Kabel, rund 7 m, ca. 150 mA |
Gewicht | 2,9 kg |
Maße (H x B x T) | 75 x 420 x 180 mm |
Hergestellt in
|
Deutschland
|
Wertung:
+ herausragende Sound-Qualität der Profiles
+ praxisnahe Preset-Auswahl
+ logisches Bedienkonzept
+ großes Effektangebot
+ kompakte Maße (Head und Remote Board)
+ ausgefeilte Steuerungsmöglichkeiten
+ praktischer Sample-Looper
+ freier Zugriff auf erweiterte Sound-Bibliothek
- Effekte über Speaker- und Monitor Out nur mono
- deftiger Aufpreis für Endstufe
- keine Phantomspeisung fürs (Profiling-)Mikrofon
Preise:
Profiler Head – ca. 1.600 €
Profiler Power Head – ca. 2.100 €
Profiler Remote – ca. 500 €
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